Pilzsaison ist immer – Expertin Christina Kiesewetter über Pilze in der Dübener Heide
Herbstzeit ist Pilzzeit. Das gilt natürlich auch für die Dübener Heide. Färben sich die ersten Blätter bunt, sind sie nicht mehr zu übersehen: Die vielen Pilzsammler, die in den Wäldern der Region nach den leckeren Knollen suchen. Doch ist wirklich nur der viel zitierte Herbst die wahre Pilzsaison? Oder lohnt es sich auch zu anderen Jahreszeiten auf die Pirsch nach Pilzen zu gehen? Diese und andere Fragen beantwortet Christina Kiesewetter (im Bild) im Interview. Die Expertin, die in der Dübener Heide lebt und aufgewachsen ist, kennt Pilze und die heimatliche Region wie ihre Westentasche.
Pilzberaterin Christina Kiesewetter: Schon als Kind begeistert von den Wäldern der Dübener Heide
Die Naturliebhaberin, die auch themenbezogene Wanderungen anbietet, hat zudem noch die eine oder andere überraschende Info über Pilze in petto und gewährt bei uns einen Einblick in ihre Expertise:
Liebe Frau Kiesewetter, Ihrer Pilzleidenschaft frönen Sie schon seit Ihrer frühesten Kindheit. Wann hat diese Liebe begonnen?
Ich liebe Pilze, seitdem ich denken kann. Schon als kleines Kind war ich ganz begeistert davon, was da mitunter tolles in unserer Natur wächst – und dass man vieles davon auch noch essen kann. Mit Kinderaugen sieht man viele Dinge ja noch anders. Jeder Waldspaziergang war ein Abenteuer. Das hatte für mich immer etwas ganz gemütliches und zauberhaftes. Meine Mama – die wiederum viele Pilze von ihren eigenen Eltern kannte – musste damals bei jeder Gelegenheit mit mir in den Wald gehen, sonst habe ich keine Ruhe gegeben.
Wie und wann haben Sie diese Begeisterung professionalisiert?
Ich wollte schon sehr früh mehr bewirken als „einfach nur“ für mich selber Pilze zu sammeln. Mit ungefähr 15 Jahren habe ich mir in den Kopf gesetzt, einmal Pilzsachverständige werden zu wollen und die Liebe für die Natur und die Pilze unter die Menschen zu bringen. Als ich 22 wurde, habe ich dieses Ziel ernsthaft verfolgt und mir täglich eigenständig das erforderliche Wissen dafür angeeignet.
Im Oktober 2023 (mit 26 Jahren) habe ich dann meine Prüfung erfolgreich abgelegt und mir damit einen kleinen Kindheitstraum erfüllt.
Mit der Prüfung zur Pilzsachverständigen erfüllte sich ein Kindheitstraum
Das Schöne ist: Damit habe ich mir auch die Fähigkeit wiedererlangt jeden Waldspaziergang als ein großes Abenteuer zu sehen, so wie früher als Kind. Die Magie dahinter ist also dieselbe geblieben und ich bin dankbar, dass ich mir diese Sicht auf die Dinge behalten konnte.
Der Herbst gilt ja als die klassische Pilzsaison. Ist das tatsächlich so oder wachsen die begehrten Hauben-Leckereien auch außerhalb dieser Jahreszeit?
Im Endeffekt muss man sich einfach mal anschauen, was die meisten Pilzarten mögen: Das ist mildes, frostfreies Klima und genügend Feuchtigkeit. Der Herbst ist hierfür natürlich oft ideal, also kann man hier schon von einer Art Hauptsaison sprechen. Allerdings wachsen das ganze Jahr über tolle und leckere Pilzarten. Im Frühjahr hat man die Morcheln und Verpeln, die in der Feinschmeckerküche nicht wegzudenken sind.
Leckeres für die Feinschmecker-Küche in der Dübener Heide
Ein Glück, denn die wachsen auch in unserer Region. Im Sommer kann man dann schon viele weitere Leckereien finden, die auch Wärme ganz gerne mögen und zum Teil auch Hitze tolerieren. Zum Beispiel viele Täublinge, den Schwefelporling (aufgrund seiner Konsistenz auch das „Hühnchen des Waldes“ genannt) aber auch schon die ersten Steinpilze. Manche Pilzarten benötigen Kältereize und Frost um zu wachsen, im Winter findet man dann zum Beispiel Austernseitlinge, Judasohren, Samtfußrüblinge oder leckere Frostschnecklinge für die Pfanne. Pilzsaison ist also grundsätzlich immer!
Kann man die Dübener Heide als Pilzrevier bezeichnen?
Die Dübener Heide ist, genauso wie die Dresdener oder die Oranienbaumer Heide, (um mal einige bekannte Waldstücke in der Nähe zu nennen), von Pilzesuchern sehr überlaufen. Wenn die Bedingungen wie Temperatur und Niederschläge stimmen, wachsen aber praktisch überall viele essbare Pilzarten. Die Dübener Heide ist also durchaus ein tolles Pilzrevier, das kann aber genauso der kleine Forst um die Ecke sein. Es ist also grundsätzlich nicht unbedingt notwendig, bekannte und große Waldgebiete anzusteuern, wenn man beim Sammeln Erfolg haben möchte.
Wo genau wird man in unserer Region in Sachen Pilze fündig? Haben Sie Tipps?
An sich kann man hier bei uns die verschiedensten Pilzarten finden, die sich auf saurem, sandigen Boden wohlfühlen und die Gesellschaft von Kiefern, Buchen und Eichen gern mögen. In dieser Kombination sind die Bedingungen hervorragend und ein guter Ausgangspunkt für Pilzinteressierte.
Es kommt immer darauf an, was man sucht
Genaue Regionen kann ich nicht nennen, da es immer darauf ankommt, was genau man sucht. Ein Beispiel: Die beliebten Krausen Glucken kommen zum Großteil im Wurzelbereich von Kiefern vor, hier ist man also im Nadelwald am besten aufgehoben. Wer gern Röhrlinge sammelt, sollte bevorzugt Mischwälder aufsuchen, die nicht so viel Totholz und Sträucher beinhalten, sodass man im besten Fall viel vom Waldboden sehen und die begehrten Pilzchen leichter sichten kann.
Durch Ihre Expertise beraten Sie Pilzsammler in der Region Dübener Heide und in ganz Nordsachsen und bespielen sehr aktiv und erfolgreich einen Instagram-Account zum Thema. Wie finden Menschen mit vollen Körben, die Beratungsbedarf haben, zu Ihnen? Kommen die klingeln oder geht vieles digital vonstatten?
Wenn Menschen sich gern mit ihren vollen Körben von mir beraten lassen möchten, können Sie mich unter der Telefonnummer 0176/66337423 erreichen und wir vereinbaren dann telefonisch ein zeitnahes, persönliches Treffen. Man findet mich mittlerweile auch sehr gut über Google und Google Maps, da ich im Bad Dübener Raum als einzige Pilzsachverständige gelistet bin.
Persönliche Beratung durch die Expertin
Pilzinteressierte können mir natürlich auch Fotos von ihren Funden schicken, dann darf ich allerdings lediglich einen Tipp abgeben, über welche Art es sich handeln könnte – ausschließlich auf dem digitalen Wege darf ich keinen Pilz zum verspeisen freigeben, das darf ich nur, wenn ich die Arten persönlich vor mir habe.
Wo sammeln Sie in der Dübener Heide am liebsten Ihre Pilze?
Mir ist schon klar und ich verstehe auch, dass die Antwort auf diese Frage sicherlich viele brennend interessiert. Ich habe zahlreiche Waldstücke, in denen ich regelmäßig unterwegs bin. Es gibt leider kein Gebiet, auf welches ich schwören würde – die Witterungsbedingungen und der Niederschlag müssen passen, und das kann je nach Wald mitunter sehr unterschiedlich ausfallen.
Eines kann ich aber sagen: In der Hauptsaison meide ich die Wälder rund um den Lutherstein, da diese aufgrund des Bekanntheitsgrades immer sehr überfüllt und quasi pilzleer sind.
Haben Sie einen Tipp für ein schmackhaftes Pilzrezept?
Oh ja, da gibt es viele. Letztes Jahr habe ich Schopftintlinge (die beliebten Spargelpilze) goldbraun gebraten und sie auf frischem, selbstgebackenen Brot auf einem Avocadobett mit Pfeffer und Salz serviert und für hervorragend befunden. Auch fantastisch war die Kombination von den ja eher süßlich schmeckenden Edelreizkern in einer asiatisch angehauchten Version eines würzigen Gemüse-Currys mit Reis. Was ich unbedingt noch ausprobieren möchte: Den Schwefelporling als „Chicken Nuggets“ paniert und frittiert. Diese Pilzart wird, wie schon erwähnt, auch als Hähnchen des Waldes bezeichnet und soll tatsächlich auch so schmecken!
Welches Fleckchen in der Dübener Heide ist Ihre Lieblingsecke – unabhängig davon, ob dort Pilze sprießen?
Da gibt es sehr viele. Mein Mann und ich gehen gerne einmal größere Runden mit unserem kleinen Hund spazieren und mögen daher die Kombination aus unberührter Natur und gut begehbaren Wegen sehr gern. Wenn es mal nicht um Pilze geht, sind wir häufig an der Mulde unterwegs.
Sie bieten auch Wanderungen in der Dübener Heide an – erzählen Sie doch einmal etwas darüber!
In diesem Jahr habe ich zwei Wanderungen in Kooperation mit dem Naturpark in Bad Düben organisiert. Die erste davon hat mittlerweile stattgefunden und ich bin noch immer positiv schockiert von der immens positiven Resonanz dazu.
Sehr positive Resonanz auf Wander-Angebot
Ein bisschen nervös war ich schon, als dann zum ersten Mal diese große Truppe an Pilzinteressierten erwartungsvoll vor mir stand, aber nach fünf Minuten wusste ich: Das ist das, was ich tun möchte und mein Herz erfüllt.
Bei beiden Wanderungen sind wir jeweils um die drei Stunden um den Gesundbrunnen herum in Bad Düben unterwegs, dort gibt es tolle Wanderwege, welche für Jung und Alt geeignet sind. Unser Anliegen ist hier natürlich vordergründig Pilzanfängern ein gutes Grundlagenwissen an die Hand zu geben, über Pilzmythen aufzuklären und gemeinsam Freude und Spaß an Wald und den Pilzen zu haben. Und Spaß bedeutet auch wirklich Spaß! Manchmal machen ich oder meine Teilnehmer so tolle Funde, dass ich spontan ein wenig vor Freude schreien muss, das steckt auch den letzten Skeptiker unwiderruflich mit dem Pilzfieber an…
An welchen Plänen und Projekten arbeiten Sie aktuell – können Sie schon etwas verraten?
In den nächsten Jahre möchte ich mein Angebot unbedingt noch erweitern. Ich träume davon, das ganze Jahr über Pilzwanderungen anzubieten, möchte irgendwann auch Seminare zu spezielleren Themen wie Vital- und Heilpilze geben und auf mehrtätigen „Natur-Retreats“ gemeinsam mit anderen, inspirierenden Menschen auch Intensivkurse zum Thema Pilze anbieten. Das wäre traumhaft! Kurzfristig fokussiere ich mich natürlich erstmal auf die reine Korbberatung. Gerade an den Wochenenden steht das Telefon vor allem jetzt im Oktober natürlich nicht still.
Pilze abschneiden oder herausdrehen? Was sollte man tun?
Ich selbst bin noch mit dem Leitsatz groß geworden, dass man Pilze immer abschneiden soll, da auf diese Weise im Folgejahr wieder ein Pilz an genau dieser Stelle wachsen kann. Mittlerweile weiß ich: Diese Theorie ist nicht ganz korrekt, hält sich aber hartnäckig. Der eigentliche Pilz, das Wurzelgeflecht quasi, befindet sich unter der Erde, ist für uns also nicht sichtbar und mitunter sehr, sehr groß und weitreichend.
Tipp: Pilze aus dem Boden besser herausdrehen!
Die Pilze über der Erde sind lediglich die Fruchtkörper, also wie der Apfel, den man vom Baum pflückt – das sogenannte „Myzel“ unter der Erde interessiert es nicht, ob ich den Pilz abschneide oder herausdrehe. Aber eines sei gesagt: Pilze herausdrehen ist immer besser. Zum einen finden sich wichtige Erkennungsmerkmale oft an der Stielbasis, zum anderen verschenkt man beim bloßen Abschneiden oft viel Pilzfleisch, wenn man einmal bedenkt, wie tief zum Beispiel Steinpilze manchmal im Moos stecken.
Ist der Fliegenpilz wirklich die größte Gefahr in unseren Wäldern?
Der Fliegenpilz ist gar nicht so giftig, wie oft angenommen wird. Sicherlich: Der Verzehr könnte für den einen oder anderen sehr unangenehme Nebenwirkung haben, aber sterben kann man davon in aller Regel nicht. Viel gefährlicher und garantiert tödlich giftig ist der Grüne Knollenblätterpilz, auf dessen Kappe hierzulande die meisten Todesfälle in Folge von Pilzvergiftungen gehen. Auch sehr giftig und gefährlich sind zum Beispiel der Pantherpilz, der Blutblättrige Hautkopf, der Gifthäubling oder der Orangefuchsige Raukopf, die ich selber in der Dübener Heide schon oft gefunden habe.
Würden Sie anderen Pilze sammeln als Hobby empfehlen?
Unbedingt! Pilze sammeln aktiviert im besten Fall das körpereigene Belohnungssystem und schüttet bei schönen Funden und vollen Körbchen Glückshormone aus. Die Bewegung an der frischen Luft macht zwar die Beine müde, hält den Kopf und den Rücken aber fit und schafft vor allen Dingen einen Ausgleich zum schnelllebigen Alltag, in welchem wir uns befinden. Skandinavische Länder machen es vor: Dort ist Zeit in der Natur ein fester Bestandteil im Feierabendprogramm und sicherlich auch Grund dafür, dass die nordischen Länder immer wieder zu den glücklichsten der Welt gekürt werden. Ich glaube, dass Pilze sammeln vielen Menschen helfen könnte, sich wieder auf die grundlegenden Dinge im Leben zu besinnen und sich wieder mehr zu erden.
Mehr Infos finden Sie auf dem Instagram-Account von Christina Kiesewetter
Bilder / Copyright: Christina Kiesewetter